Gefährdung der Kalkmagerrasen und Wacholderheiden
Die Gefährdung der Kalkmagerrasen lässt sich den folgenden Kategorien zuordnen:
- Verschlechterung des Erhaltungszustandes durch ungenügende oder unangemessene Pflege
- Flächenverlust durch Versaumung und Verbuschung der Standorte
- Flächenverlust durch Aufforstung
- Bestandsveränderung durch Eutrophierung und Intensivierung
- Verlust typischer Vegetationsstrukturen durch mangelnde Verjüngung (Wacholderheiden)
Im Einzelnen lassen sich die Gefährdungen wie folgt beschreiben:
Verfilzung und Versaumung
Die Verfilzung der Kalkmagerrasen ist eine Folge fehlender Bewirtschaftung. Sie leitet die natürliche Sukzession ein. Beim Wegfall der Nutzung können sich ausläufertreibende, horstbildende und stickstoffsammelnde Arten, die sich unter den Moos- und Streuauflagen ausbreiten. Lichtliebende Arten oder niedrige konkurrenzschwache Arten wie Enzian- oder Orchideenarten werden zunehmend verdrängt. Auf den flachgründigen Standorten wandern höherwüchsige und teilweise ausläufertreibende Arten der thermophilen Säume (Trifolio-Geranietea) wie Zick-Zack-Klee (Trifolium medium), Weidenblättriger Alant (Inula salicina) und andere Pflanzen ein. Die tiefgründigeren Böden der Keuperformation werden von konkurrenzstarken Gräsern wie Fiederzwenke (Brachypodium pinnatum) und Aufrechter Trespe (Bromus erectus) zunehmend dominiert. Betroffen sind im Projektgebiet alle trockenen Offenlandbiotope und Standorte, die über einen weitreichend offenen Parkcharakter mit Einzelsträuchern verfügen. Die Verdrängung der hoch spezialisierten Arten des Habitattyps führt zu einer floristischen Verarmung der Bestände. Neben der Veränderung der Flora zieht die Verbrachung eine Veränderung der Habitatqualität für eine Reihe spezialisierter Tierarten nach sich. So z.B. für einige, an das Habitat gebundene Insekten wie Russischer Bär (Callimorpha quadripunctaria), Reptilien und Vögel wie Neuntöter (Lanius collurio). Als Trittstein und Ausgleichslebensstätte der Bewohner angrenzender Flächen, führt der Verlust der Kalkmagerrasen zwangsläufig zur Verarmung angrenzender Biotope. Im Projekt sind verschiedene Maßnahmen zur Entfilzung vorgesehen, wobei letztlich nur die Einführung einer geregelten Beweidung die Bestände nachhaltig stabilisieren kann.
Verbuschung
Bei fortschreitender Brache und mangelndem Verbiss durch Weidevieh gehen die degradierten Kalkmagerrasen vom Stadium der Verfilzung zu trockenen Schlehengebüschen und später Vorwäldern über. Die größte Gefahr geht von der aggressiv verlaufenden Verbuschung mit ausläufertreibenden Arten wie Schlehe, Roter Hartriegel oder Liguster aus. In kurzer Zeit bringen sie geschlossene Gehölzbestände hervor. Weitaus langsamer erfolgt die Besiedlung mit flugfähigen (Esche, Ahorn) oder von Vögeln verbreiteten Gehölzsamen (Weißdorn, Heckenrose, Eiche). Sie sind zur Keimung auf Lücken innerhalb der Vegetations- oder Streudecke angewiesen. Da diese in den nicht bewirtschafteten Kalkmagerrasen nur vereinzelt auftreten, können diese Gehölze nur vereinzelt aufwachsen um schließlich den Kalkmagerrasen den Charakter einer offenen Parklandschaft zu verleihen. Von diesem Vorgang betroffen sind alle Brachen ehemaliger Kalkmagerrasen, sowie die noch offenen, nur teilweise verbuschten Flächen. Die zunehmende Verbuschung verdrängt die spezialisierte Flora und Fauna der Kalkmagerrasen durch Beschattung und Veränderung des Mikroklimas. Die offene Parklandschaft mit vereinzelt auftretenden Gehölzen bietet im leicht absonnigen Saumbereich einer Reihe von Orchideenarten, die ihr Verbreitungsschwerpunkt in lichten Wäldern haben (Listera ovata, Platanthera bifolia, Platanthera chlorantha, Orchis mascula) einen geeigneten Lebensraum. Orchideenarten die hingegen auf vollsonnige Standorte angewiesen sind (Ophrys- und einige kleinwüchsige Orchis-Arten) verschwinden rasch. Durch Entbuschung sollen die degradierten und völlig verbuschten Kalkmagerrasen wieder hergestellt werden. Zur Erhaltung des Wiederherstellungszustandes wird eine geregelte Beweidung angestrebt. Die weitgehend offenen Gehölzbestände sollen nur partiell entbuscht werden, damit das Mosaik von unterschiedlichen Mikrostandorten erhalten bleibt.
Aufforstungen mit standortfremden Gehölzen
Auf einigen Teilflächen im Projektgebiet wurden seit dem 2. Weltkrieg in unterschiedlichen Zeiträumen Aufforstungen mit standortfremden Gehölzen (Fichten, Kiefernarten, Robinien) durchgeführt. Die Überschattung der Standorte führt zu einer vollständigen Veränderung der edaphischen und klimatischen Situation. Lichten Schatten ertragende ausläufertreibende Arten der Brachestadien (Brachypodium pinnatum, Inula salicina) können lange in den Beständen mitwachsen und die Bodenvegetation bestimmen. Auch schattenverträgliche Orchideenarten der lichten Wälder und Gebüsche (Orchideenbuchenwälder) können hier erhalten bleiben, während konkurrenzschwache Arten der Kalkmagerrasen (Pulsatilla vulgaris, Gentiana-Arten) zunehmend verschwinden. Durch die Akkumulation von Streu kommt es zu einer tiefgreifenden Veränderung der Standorte, sodass sich anspruchsvollere höherwüchsige Saumarten auf Kosten von konkurrenzschwachen Magerkeitszeigern ausbreiten können. Das schließt die langfristige Zerstörung der mykologischen Voraussetzungen für Orchideen sowie die der im Boden lagernden Diasporen ein. Deren Keimfähigkeit ist nur begrenzt aktivierbar. Besonders dramatisch fallen diese Veränderungen der Standorte unter Robinien aus. Durch die stickstofffixierende Fähigkeit der Art (Knöllchenbakterien) kommt es unweigerlich zu einer deutlichen Eutrophierung der Standorte. Bei den Nadelhölzern hingegen kommt es durch die scher zersetzbare Nadelstreu zu einer Versauerung des Standortes. Von diesen Veränderungen betroffen sind auch die Nahrungs- und Bruthabitate der auf Offenlandstandorte angewiesenen Fauna. Die Gefahr, die von Aufforstungen ausgeht betrifft fast alle Gebiete, wobei meist nur kleinflächige Bestände vorhanden sind. Im unmittelbaren Umfeld bestehender Anpflanzungen kann es aber zu einer Ausbreitung durch Samen oder klonalem Wachstum (Robinie) kommen. Zur Wiederherstellung der potentiellen Standorte sollen Standorte angekauft und die standortfremden Gehölze gerodet werden. Zur Aktivierung der Bodenvegetation werden Heublumenansaaten (C4) mit Arten der Kalkmagerrasen durchgeführt.
Intensivierung und Eutrophierung
Die ebenen und tiefgründigen Flächen wurden in der Regel im Zuge der landwirtschaftlichen Nutzung intensiviert. Im Projektgebiet überwiegt Intensivgrünland gegenüber dem Acker, da besonders die schweren Böden auf Keupermergeln als Acker schwieriger zu bewirtschaften sind. Das Grünland wird durch Umbruch und Ansaat hergestellt und über hohe Dünger- und Güllegaben stabilisiert. Extensiv bewirtschaftete magere Flachlandwiesen (6510) oder magere Weiden findet man meist nur mehr an den Rändern der Landschaft, wo die Topographie eine rationelle Bewirtschaftung mit großen Maschinen erschwert. An derartigen Standorten findet sich deshalb meist ein kleinteiliges Mosaik von Magerwiesen und -weiden, extensiv genutzten Bongerten (Streuobstwiesen) und Kalkmagerrasen wieder. Extensiv bewirtschaftetes Grünland besitzt eine besondere Bedeutung für den Erhalt von Kalkmagerrasen, da ein Teil der Magerrasenarten ebenfalls in Magerwiesen vorkommen kann. Bei einer Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung kommt es unweigerlich zu einer Verdrängung konkurrenzschwacher Arten durch weit verbreitete nitrophile Arten des Intensivgrünlandes. In den Beständen kommt es zu einer starken Verschiebung des Artenrepertoires wobei Blütenpflanzen zunehmend durch hochwüchsige Grasarten verdrängt werden. Die Zerstörung des Kleinklimas und der Vegetationsstruktur führt in der Folge auch zu einem Rückgang der daran angepassten Tierarten. Die Kernzonen sollen durch Pufferzonen zusätzlich vor Eutrophierung und Pestizideintrag geschützt werden. Dazu sollen neben einem möglichen Flächenankauf (B1) auch Extensivierung im Rahmen von Biodiversitätsverträgen (C6) als Maßnahmen zum Einsatz kommen.
Schutt- und Müllablagerungen
Obwohl mittlerweile das wilde Abladen von Müll oder Schutt in der Landschaft weitgehend verschwunden ist, so kommt es dennoch an gut zugänglichen, aber schwer einsehbaren Standorten zu gelegentlichen Ablagerungen. Darüber hinaus werden sicher im Zuge von Entbuschungen vereinzelt alte Ablagerungen oder aber nicht mehr genutzte Weideinfrastruktur zum Vorschein kommen. Eine direkte Bedrohung für die Zielhabitate besteht in der Regel nicht, Ablagerungen können aber den Aufwand zur Wiederherstellung der Flächen erhöhen. Im Projekt vorgesehen ist die punktuelle Beseitigung von kleineren Ablagerungen unbelasteter Materialien. Aufwendigere Sanierungsmaßnahmen liegen in der Verantwortung der jeweiligen Grundstückseigentümer. Beim Ankauf von Flächen wird darauf geachtet werden, Verdachtsflächen oder Flächen mit größeren Ablagerungen vom Ankauf auszuschließen. Im Zuge der Wiederherstellung potenzieller Kalkmagerrasen werden die Ablagerungen abgetragen und sachgerecht entsorgt (C7).
Mangelnde Regeneration von Wacholder
Das charakteristische Bild von Wacholderheiden ist an eine extensive Beweidung mit Schafen gebunden. Juniperus communis benötigt zur vegetativen Regeneration den regelmäßigen Verbiss. Die generative Vermehrung durch Samen ist auf offene Bodenstellen durch Viehtritt angewiesen, zudem benötigen sie während der Keimungsphase eine gewisse Grundfeuchtigkeit. Insgesamt ist zu vermuten, dass die erschwerte Keimfähigkeit durch die Fermentierung der Samenschale durch den Frass günstig beeinflusst wird und die natürliche „Keimhemmung“ über den Viehfrass reduziert wird. Die mangelnde bzw. fehlende Beweidung könnte eine mögliche Ursache für die schlechte Regeneration über Junganwuchs sein. Dies wird im Rahmen des Projektes überprüft. In den bestehenden Gebieten mit Wacholderheiden hat sich in den letzten Jahren die Regeneration der Bestände deutlich verschlechtert, sodass sie zunehmend vergreisen. Um dem entgegenzuwirken sind die Wiederaufnahme der Beweidung (C6), wie auch die Anpflanzung von jungen autochthonen Juniperus-Pflanzen geplant (C9).